Porträt Nr. 7 vom 28. Februar 2021

Carl von Ossieztky

“Aber Deutschland ist ohne freiheitliche Tradition, ihm fehlt das wirkliche Bürgerbewusstsein, ihm fehlt der Stolz des Zivilisten gegenüber der Uniform.”

Carl von Ossietzky (1889 – 1938) war Journalist, Schriftsteller und überzeugter Pazifist. Von 1927 bis 1933 leitete er die  »Weltbühne«, das Forum der intellektuellen, bürgerlichen Linken in der Weimarer Republik. Als Herausgeber der “Weltbühne” wird Ossietzky einer der bedeutendsten Publizisten der Weimarer Republik. In seinen Leitartikeln wendete er sich gegen die Aushöhlung der Verfassung und kritisierte die Parteienpolitik. Wegen seiner Kritik an der Wiederaufrüstung wurde er mehrmals vor Gericht verurteilt. (Vgl. Lebendiges Museum Online)  Im Jahre 1936 erhielt er den Friedensnobelpreis. 

Leider kennt heute kaum jemand Carl von Ossietzky. Wer sich näher mit dem Leben und Wirken Ossietzkys beschäftigt, der wird einige sehr bemerkenswerte Fähigkeiten bei ihm entdecken: Die Fähigkeit zu scharfsinniger Analyse der gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse, seine brilliante Art zu formulieren, der uneingeschränkte Mut zur Wahrheit sowie die eindrucksvolle Integrität, seinen Werten und Idealen bis zum Tode treu zu bleiben.

 

“Ich war Pazifist und ich werde Pazifist bleiben”

Die Integrität von Carl von Ossietzky zeigt sich besonders in folgender Begebenheit, die Eberhard Hungerbühler in seinem Buch “Pioniere für den Frieden” (1983) beschrieb. Ossietzky war gesundheitlich durch drei Jahre Konzentrationslager schwer angeschlagen und zu jener Zeit im Staatskrankenhaus der Polizei in Berlin untergebracht.

“Im November 1936 verkündete das Nobelkomitee seine Entscheidung: `Unter den Vorgeschlagenen haben wir im Sinne Alfred Nobels Carl von Ossietzky als den Würdigsten erkannt und verleihen ihm den Friedensnobelpreis des Jahres 1935.`

Umgehend suchte der Reichstagspräsident Hermann Göring Carl von Ossietzky auf. Mehr als zwei Stunden lang redete er auf ihn ein. `Wenn Sie erklären, dass Sie mit den Pazifisten im Ausland nichts zu tun haben wollen und den Friedensnobelpreis ablehnen, sind sie frei. Sie können sofort, heute abend noch, nach Hause gehen. Niemand wird Sie weiterhin behelligen.` Ossietzky war körperlich am Ende. Sein Gesundheitszustand war nach wie vor kritisch. Trotzdem erklärte er seinem Besucher: `Ich war Pazifist, und ich werde Pazifist bleiben.`

Wut und Enttäuschung standen Göring ins Gesicht geschrieben. Es war ihm anzumerken, dass er sich nur mühsam beherrschte. Noch einmal unternahm er einen Versuch. Er drückte Ossietzky eine vorbereitete Erklärung in die Hand, mit der er seinen Verzicht hätte nur unterschreiben müssen. `Dann sind Sie frei` , wiederholte Göring nachdrücklich.

Ossietzky sah sich das Papier nur kurz an, fasste es mit beiden Händen am oberen Rand, zeriss es und gab es Göring zurück. Noch einmal wiederholte er: `Ich war und bin Pazifist.`”

Carl von Ossietzky ist seinem Friedensideal bis in den Tod treu geblieben. Seine Persönlichkeit strahlte Integrität aus – jener Fähigkeit, die heute innerhalb der Menschheit wohl in wachsender Weise verloren geht. Er starb am 4. Mai 1938 im Krankenhaus.

Ossietzky war eine herausragende Persönlichkeit, die heute weitgehend in Vergessenheit geraten ist. In einer schönen, aussagekräftigen Biographie fragte Autor Franz Baumer im Jahr 1984:
Wer unter den Bundesbürgern kennt heute schon Carl von Ossietzky? – Die Unbekanntheit von Ossietzky ist wohl die gleiche wie 1984. Er ist innerhalb der jüngeren Geschichte der Bundesrepublik weitgehend vergessen, vermutlich auch, weil man ihn nicht in Kategorien stecken konnte und er unbequem für die Mächtigen war. Franz Baumer:

“Man denkt bei Ossietzky, diesem ewig friedlosen Kämpfer für Frieden und Menschlichkeit, zuweilen nicht an den politischen Publizisten im sogenannten Spree-Athen, sondern an einen wiedererstandenen Sokrates, der seine Zeitgenossen furchtlos und schockierend den Stachel der Vernunft und des Gewissens spüren lässt. Unbequem wie eine Stechfliege auf dem wohlgenährten Fleisch antiker Bürger ist Ossietzky zeit seines kurzen Lebens stets gewesen. Und bis heute ist er, der nicht Katalogisierbare, ein Stein des Anstoßes geblieben.”

Es gibt heute weder eine aktuelle Film-Dokumentation noch einen Spielfilm über den deutschen Friedensnobelpreisträger. Ein unwürdiger Zustand – auch deshalb finden Sie hier dieses Porträt. Es ist faszinierend und lohnenswert – gerade heute – sich seinem Lebenslauf und Werk zu widmen! Einen tief beeindruckenden Artikel hat Eberhard Hungerbühler über Carl von Ossietzky verfasst. Dieser lässt seine Persönlichkeit und Integrität lebendig sichtbar werden. Ich kann diesen Beitrag wärmstens empfehlen.

Zum Artikel “Carl von Ossietzky” – Der Stolz des Zivilisten gegen die Uniform